Island-Erfahrung – Eine Fotoreise auf Snæfellsnes
Im Rahmen ihres mehrmonatigen Island-Aufenthalts begibt sich unsere Autorin Madeline Jost immer wieder gern auf Entdeckungsreise. Ihre ganz persönlichen Fototipps aus Island teilt sie heute mit euch auf unserem Blog.
Island, die Insel aus Feuer und Eis fasziniert derzeit die ganze Welt. Mich eingeschlossen. Nicht nur, dass der Vikingerschrei „Huh“ zum Schlachtruf der gesamten EM geworden ist, auch die Herzlichkeit, mit der das isländische Völkchen feiern konnte, obwohl es zum Viertelfinale gegen Frankreich ausschied, löste bei der Weltbevölkerung große Zuneigung und ehrliche Bewunderung aus. Und es ist kein Wunder, dass die Isländer ein so ehrliches, verwurzeltes aber auch ein bisschen lieblich raues Gemüt haben, spiegelt dieser Charakterzug doch genau die Landschaft wider, in der sie leben. Heute wollen wir uns auf eine kleine Fotoreise durch Island begeben und die großen und kleinen Wunder entdecken, die unsere neue Lieblingsinsel bereithält. Landschaftlich besonders populär bei Urlaubern in Island – das habe ich hier gelernt – ist der sogenannte Golden Circle, der in der Hauptsaison von Juni-August touristisch sehr überlaufen ist. Drei Sehenswürdigkeiten lassen sich hier – zusammen mit hunderten anderen Menschen – erkunden: der Nationalpark Þingvellir, der Gullfoss-Wasserfall und der Geysir. Alle drei Sehenswürdigkeiten sind tatsächlich auch sehenswert, allerdings nicht in der Hauptsaison, wenn kein einziges Foto ohne eine Menschentraube aufgenommen werden kann. Unsere Island Fotoreise führt uns deshalb in den Westen Islands, nicht weit von Reykjavík entfernt, nach Snæfellsnes. Die 100km lange Halbinsel Snæfellsnes hat nämlich den Ruf, landschaftlich ein Querschnitt ganz Islands zu sein. So richtig glauben konnte ich das nicht, als ich mich dazu entschied, meine Fotoreise genau dort ihren Anfang nehmen zu lassen. Doch ich sollte eines Besseren belehrt werden.
Arnarstapi – Die Reise zum Mittelpunkt der Erde
Für mich, als Hamburgerin, war völlig klar, dass der Startpunkt meiner Island Fotoreise das kleine Örtchen Arnarstapi sein würde, denn dieses liegt genau am Fuße des gewaltigen Snæfellsjökull. Was Hamburg mit dem Gletscherberg zu tun hat? Jules Vernes „Reise zum Mittelpunkt der Erde“. In seinem Roman reisen ein deutscher Geologe und sein Neffe von Hamburg Altona zum Snæfellsjökull. Noch heute markieren eine Tafel und viele Wegweiser in alle Herrenländer den vernschen Mittelpunkt der Welt. Ein atemberaubendes Fotomotiv, wenn die Sonne scheint und zwei Gletscherspitzen in den Himmel ragen. Aber auch wenn der Berg in Wolken gehüllt ist und aussieht, als wäre er mit Watte gekrönt.
Hier also schwang ich mir meinen Rucksack auf den Buckel, meine Kamera, reichlich Reserveakkus und Speicherkarten im Gepäck und machte mich zu Fuß auf den Weg nach Hellnar. Ein kleiner, drei Kilometer langer Wanderweg, der direkt an der Küste lag, sollte mich bis dorthin führen. Die Küste. Das ist mein Stichwort. Was für eine Küste. Endlos zerklüftete Felsformationen so weit das Auge blicken konnte. Das Wasser so satt blaugrün, dass ich es für sich genommen eher der Karibik als Island angelastet hätte. Schäumende Gischt und kleine, ruhige Wasserbecken, die sicher einst Badewannen der Trolle waren. Ich konnte mich gar nicht sattsehen an diesen Naturschauspielen und fotografierte mir die Finger wund. Für Ornithologen hat die ganze Küstenstrecke von Arnastapi bis hoch nach Ólafsvík noch ein ganz besonderes Schmankerl zu bieten. Richtig, unglaublich viele verschiedene Vogelarten, die fliegen, sitzen, brüten, kreischen, zirpen und manchmal auch gern auf Menschenjagd gehen. Doch dazu später mehr.
Übrigens ist „über Stock und Stein“ zwar eine wirklich nette Redewendung, die allerdings viel zu deutsch für unsere kleine Fotoreise auf Snæfellsnes ist; hier muss es zunächst einmal „über Lava und Moos“ heißen, denn dies ist der bevorzugte Untergrund, mit dem wir es zu tun haben. Viele große und kleine Lava-Gesteinsbrocken säumten den Wanderweg, den ich entlanglief und waren meist komplett mit Flechten und Moosen überwachsen, hin und wieder allerdings wuchsen aus ihnen kleine, lila Blümchen, die irgendwie doch ein bisschen Leben aus dem leblos wirkenden Steinen zogen. Irgendwie immer wieder ein kleines Wunder.
Kleine, graue Füchse im Lavafeld
Hellnar. Jedes Mal erwartete ich eine Ortschaft, wenn ich einen Namen auf der Wanderkarte las. Und jedes Mal wurde ich (zum Glück) enttäuscht. Hellnar hatte einige süße Häuschen, zwei kleine Cafés und ansonsten viel Natur. Wunderbar! Dass die Information des Naturparks ein Stück weiter den Weg hoch wegen Umbauarbeiten geschlossen war, konnte mich nicht weiter erschüttern, denn eigentlich hatte ich es auf den Cappuccino im Café nebenan abgesehen. Ich gebe zu, das hat nicht unbedingt etwas mit Fotomotiven zu tun, aber auch eine Fotografin braucht einmal eine Pause. Und die hat sich wirklich gelohnt, denn der Cappuccino war fantastisch und hätte ich nicht gewusst, dass ich nach dem Essen immer unglaublich träge werde, hätten mir die leckeren Kuchen bestimmt auch vorzüglich geschmeckt.
Frisch gestärkt ging es dann weiter. Der Straße, die vom Café zum Ortsausgang führte, folgte ich einige hundert Meter, um dann feldein wieder zur Küste zu gelangen. Aus einem Reiseführer wusste ich, dass es 7 Kilometer weiter der Nase nach eine echte Elfenkirche geben sollte. Das durfte ich mir nicht entgehen lassen. Ich durchstreifte Lava und Moos, zwischendurch Wiese und Hügelchen, legte Päuschen bei Bächen ein, die sich nur wenige Meter entfernt als Wasserfälle ins Meer stürzten und ließ meine Kamera immer wieder heißlaufen. Irgendwann taten dann aber doch die Füßchen weh und ich entschied, meine erste Nacht unter einem Tarp im Lavafeld zu verbringen. Eine wunderbare Entscheidung, wie sich herausstellen sollte, denn so kam ich in den Genuss, einen waschechten Polarfuchs zu sehen, der sich wohl vor mir erschreckt hatte und mich daraufhin wie eine Mischung aus einem Adler und einer fauchenden Katze, anschrie. Vor Schlaftrunkenheit war ich leider nicht schnell genug bei meiner Kamera, allerdings hat sich das schöne Tier felsenfest in meine Erinnerung geschweißt, sodass ich es sicher nicht vergessen werde.
Eine Elfenkirche, ein Leuchtturm und der schwarze Strand
Am nächsten Morgen verzehrte ich schnell mein Frühstück und stapfte mit langen Schritten zur Elfenkirche, die sich als Gesteinssäule neben einem riesigen Vogelfelsen entpuppte. Lóndrangar heißt dieser wundersame Ort, der direkt einem Hobbitfilm entsprungen ist, möchte man meinen. Hunderte Möwen umkreisten den spitz in den Himmel aufragenden Gesteinsbrocken und boten eine herrliche Fotokulisse. Wenige Kilometer weiter: Ein typisch isländischer Leuchtturm, der sich vor dem Meer in die Höhe reckte und den Namen Malariff trägt. Wer das zu unspannend findet, kann alternativ auf einer Wippe wippen oder andere Spielgeräte des naheliegenden Kinderspielplatzes ausprobieren. Ich finde ja, für so etwas ist man nie zu alt.
Weiter ging es nach Djúpalónssandur, wo einer der vielen schwarzen Strände Islands zu bestaunen ist. Und nicht nur das, überall im Gestein ließen sich kleine oder weniger kleine Höhlen und Einbuchtungen erkennen, eine davon sogar so groß, dass man hätte darin übernachten oder ein schönes Päuschen einlegen können. Am Strand liegen übrigens überall alte, rostige Teile herum, die einen wunderschönen Kontrast zum schwarzen Sand bieten und sich somit herrlich für ausgedehnte Fotosessions eignen.
Trampen zur Mitternachtssonne
Von Djúpalónssandur ließ ich mich von einem netten, amerikanischen Pärchen bis nach Hellisandur mitnehmen, das weiter nördlich lag. Das Trampen ist in Island völlig normal. Immer wieder sieht man am Straßenrand Menschen aller Altersgruppen den Daumen heraushalten und auf eine Mitfahrgelegenheit warten. Die Isländer nehmen übrigens sehr gern Leute im Auto mit und halten mit ihren Mitfahrern angeregte Pläuschchen über Gott und die Welt, bzw. das Wetter und ihren Herkunftsort. In Hellisandur angekommen marschierte ich auf den Campingplatz des Ortes und baute dort mein Nachtlager auf. Zwischen Lavasteinen und mit Aussicht auf das Meer war dies einer der schönsten Campingplätze, die ich bisher gesehen hatte. Und es sollte noch besser kommen, denn die Sonne ging direkt am Horizont über dem Meer unter. Das Wasser schimmerte in allen erdenklichen Gelb- und Rottönen und lieferte sich mit dem Himmel ein farbenprächtiges Stelldichein. Die Mitternachtssonne ist einfach ein perfektes Fotomotiv für alle Romantiker unter uns. Allerdings beschränkt sie sich auf die drei Sommermonate, was bei einer Fotoreise unbedingt beachtet werden sollte.
Lupinen, fiese Vögel und ein Kuchen, den der Himmel schickt
Am letzten Tag meiner Fotoreise sollte es nach Ríf gehen, wo ich meinen Kuchen-Hunger in einem beliebten Café endlich stillen wollte, allerdings entschied ich mich für einen kleinen Umweg, um die wunderschönen Lupinenfelder einzufangen. Im Juni sind viele Teile der Insel mit diesen lila Blumen nahezu überschwemmt und bieten eine farbenfrohe Kulisse für tolle Fotos. Ich hatte das große Glück, dass ganz in der Nähe eine einsame Kirche direkt in diesem Blumenmeer stand und sich im Hintergrund sogar die Berge breitmachten. Herrlich diese Kombination. An der Kirche vorbei begegnete ich querfeldein vielen Schafen und gelangte am Ende zu einem ruhig gelegenen See, an dem ich ein letztes Mal auf meiner Fotoreise rastete, bevor ich von meiner in Aussicht stehenden Torte wie magisch angezogen wurde.
Die letzten Meter vor dem Ortseingang wurde ich schon erwartet. Aber nicht etwa von meinen wahr gewordenen Gebäckphantasien, sondern von einem Schwarm Küstenseeschwalben, auch Krias genannt, die mit gefährlich klingenden Klack- und Kreischgeräuschen zu Hundert auf mich niederstürzten und mich aus ihrem Brutgebiet verscheuchten. Dafür sind sie bekannt, die Krias. Wenn man es denn weiß. Menschen in der Nähe ihrer Nester mögen sie gar nicht. Wie versprochen kommen Ornithologen in Island auf ihre Kosten, denn sie wissen, was auf sie zukommt. Sehr zu empfehlen ist eben dieses kleine Örtchen Ríf mit seinem Vogelreichtum. Allerdings war ich auf die aggressive und aufdringliche Art dieser Kria-Flatterviecher so wenig vorbereitet wie auf ein Fotoshooting mit einem Eisbären, daher tat ich das, was mir in diesem Moment am sinnvollsten erschien: die Beine in die Hand nehmen und in Sicherheit sprinten. Auf Fotos von diesen Tierchen habe ich zugunsten meiner Sicherheit lieber verzichtet, die Vogelfotografie-Experten unter euch trauen sich da vermutlich etwas mehr. Ich meine ja bloß: Wenn man weiß wie, kann man sicher klasse Fotos von diesen ansehnlichen Vögelchen machen.
Und dann endlich: angekommen im Gamla Rif Kaffihús konnte ich meinen Gelüsten frönen und eine der leckersten Torten meines Lebens verspeisen. Irgendwas mit Baiser und viel Sahne. Das Fotografieren – muss ich zu meiner Schande gestehen – habe ich dabei glatt vergessen.
Hier noch ein kleiner Appetizer vom Rest der Insel:
Autorin: Madeline Jost / my moments & Soundtracking : Iceland
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