Bewegungsunschärfe bei Langzeitbelichtung

Wer denkt, verwischte Bilder und Bewegungsunschärfen im Bild seien immer etwas Schlechtes, der sollte heute unbedingt dranbleiben, denn die sogenannte Langzeitbelichtungs-Fotografie beschäftigt sich genau mit diesem Thema. Aber nicht etwa als ein Negativbeispiel; im Gegenteil, sie forciert das Erzeugen von richtig unscharfen Motiven und am Ende sieht das sogar richtig gut aus. Lassen Sie sich von der Kunst des Bewegungsunschärfe-Effekts überzeugen und probieren es selbst auch mal aus. Mit wenigen Handgriffen und ein bisschen Übung können Sie sich des nachts aber auch tagsüber auf die Pirsch begeben und bewegte Bilder einfangen.

Voreinstellungen der Kamera

Der einfachste Weg, befindet sich nur einen Klick weit entfernt. Vielleicht ist Ihnen die Nachtaufnahme-Einstellung an Ihrer Kamera schon einmal ins Auge gefallen? Fast an jeder digitalen Kamera befindet sich eine solche Voreinstellungsoption, die Sie ganz einfach anwählen können und mit der sich schöne Nachtaufnahmen mit und ohne Bewegungsunschärfe erzeugen lassen. Das A und O solcher Aufnahmen bei schlechten Lichtverhältnissen ist allerdings ein Stativ. Ohne das geht gar nichts, da Sie andernfalls Zuhause feststellen werden, dass alle Bilder ordentlich verwackelt sind. Zusätzlich zum Stativ empfehlen wir Ihnen, einen Fernauslöser zu verwenden, da schon kleine Erschütterungen der Kamera, zum Beispiel durch das Drücken des Auslösers, solche Verwacklungen nach sich ziehen können. Wer sich einen solchen Fernauslöser nicht zulegen möchte, dem bietet sich noch die Möglichkeit, den Selbstauslöser zu verwenden. Und dann kann es aber auch schon losgehen. Stellen Sie Ihr Stativ und die Kamera an einem Ort auf, wo bewegte Lichter die Nacht durchbrechen. In Hamburg, dem Hauptsitz von my moments, bieten sich zum Beispiel die allwöchentlichen Lichtspiele im Planten un Blomen an.

Das Kolosseum in Rom ist ein beliebtes Fotomotiv, da es abends beleuchtet ist. Die hellen Schlieren links im Bild sind übrigens voreifahrende Autos, deren Lichter durch die Langzeitbelichtung verwischen.

Das Kolosseum in Rom ist ein beliebtes Fotomotiv, da es abends beleuchtet ist. Die hellen Schlieren links im Bild sind übrigens vorbeifahrende Autos, deren Lichter durch die Langzeitbelichtung verwischen.

Langzeitbelichtung – Was ist das eigentlich?

Für diejenigen unter Ihnen, die die Langzeitbelichtung professionalisieren möchten, lohnt sich ein Blick hinter die Kulissen. Was ist diese Langzeitbelichtung eigentlich und wie stelle ich meine Spiegelreflexkamera richtig ein? Bei der Langzeitbelichtung handelt es sich um eine, wie das Wort schon vermuten lässt, lange Belichtung einer bestimmten Szene. Das dient zum Einen dazu, helle Lichter und dunkle Szenen in schwierigen Lichtverhältnissen optimal abzubilden (zum Beispiel beleuchtete Museen in der Umgebung bei Nacht), aber eben vor allem auch dazu, bewegte Bilder abzubilden, sowohl im Dunkeln als auch im Hellen. Die Bilder bewegen sich natürlich nicht wirklich, aber durch einen Effekt, der die Motive verwischt anzeigt (zum Beispiel Menschen im Kaufhaus), hat der Betrachter eher das Gefühl, dass das Abgebildete dynamisch ist.

Richtig skurril mutet dieser Effekt an, der die Wellen zu nebeligen Schwaden verwischt. Aufgenommen wurde das Bild am Black Beach in Vík mit einer langen Belichtung.

Richtig skurril mutet dieser Effekt an, der die Wellen zu nebeligen Schwaden verwischt. Aufgenommen wurde das Bild am Black Beach in Vík mit einer langen Belichtung.

Manuelle Einstellungen für die Nacht

Technisch gesehen funktioniert dies durch die Einstellung der Belichtungszeit, des ISO-Wertes und der Blende. Die Verschlusszeit bei einem Nachtmotiv wird auf einen langen Wert gesetzt, zum Beispiel 1/30sek (30´´). Spiegelreflexkameras weisen sogar eine spezielle Funktion auf, die sich „bulb“ nennt, mit der beliebig lange belichtet werden kann. Der ISO-Wert muss gleichzeitig niedrig eingestellt werden, damit kein allzu starkes Rauschen entsteht. Probieren Sie einen ISO-Wert von 50, 100 oder 200 aus. Blenden Sie zusätzlich um zwei oder mehr Stufen ab. Viele Objektive erreichen ihre beste Bildleistung zwischen Blende f/8 und f/16. Versuchen Sie zunächst eine Blende mit f/11 oder f/13 und tasten sich durch Ausprobieren an die perfekte Einstellung heran. Mit diesen Einstellungen erzielen Sie schöne Bewegungsunschärfen von zum Beispiel befahrenen Straßen oder Rummelplätzen bei Nacht. Und keine Sorge. Die lange Belichtungszeit gleicht die niedrige ISO-Zahl wieder aus, sodass trotzdem genug Licht zum Sensor vordringen kann. Wie immer wollen wir Ihnen auch heute raten, im RAW-Format fotografieren, damit Sie im Anschluss den Weißabgleich am Computer noch anpassen können. Manchmal ist das Gold wert.
Falls Sie eine kleine Anregung gebrauchen können, welche Motive sich gut für eine Langzeitbelichtung eignen, hier ein paar kleine Tipps: Wenn es geregnet hat, gibt es auf Straßen und Plätzen viele Lichtreflexionen Spiegelungen, mit denen Sie Ihre Motive perfekt in Szene setzen können. Scheinwerfer von Autos verwischen bei einer Langzeitbelichtung zu Lichtspuren und leuchten im Bild wie Neonfäden. Die Skyline einer Stadt ist ebenfalls ein beliebtes Motiv. Ebenso wie die beleuchteten Sehenswürdigkeiten oder Bahnhöfe mit ihren Gleisanlagen. Etwas anspruchsvoller, aber mindestens genauso hübsch anzusehen sind Flugplätze bei Nacht. Wer das Glück hat, zur dunklen Jahreszeit nach Island oder in den Norden Skandinaviens zu reisen, kann sich wunderbar an den Polarlichtern ausprobieren. Ein Naturspektakel der besonderen Art, bei dem am Himmel neonfarbene Lichter scheinbar explodieren und danach ihre Streifen ziehen.

Wer richtig Glück hat und zur richtigen Jahreszeit in die nordischen Länder reist, kann die Polarlichter sehen. Hier explodieren sie gerade hinter einem Flugzeugwrack in Island.

Wer richtig Glück hat und zur richtigen Jahreszeit in die nordischen Länder reist, kann die Polarlichter sehen. Hier explodieren sie gerade hinter einem Flugzeugwrack in Island.

Effekte bei Tageslicht

Die gleiche Einstellungsmethodik gilt auch für Langzeitbelichtungs-Aufnahmen im Hellen. Zusätzlich zu den speziellen Einstellungen der Belichtung, des ISO-Wertes und der Blende brauchen Sie allerdings einen Neutraldichte- oder Graufilter, wenn Sie nicht viel zu helle Bilder riskieren wollen. Wir erinnern uns: im Dunkeln sorgt die lange Verschlusszeit dafür, dass das dunkle Motiv trotz schlechter Lichtverhältnisse sichtbar abgebildet wird, also viel Licht auf den Sensor trifft. Das bedeutete bei hellen Motiven natürlich eine totale Überbelichtung. Grau- oder Neutraldichtefilter gibt es in unterschiedlichen Grau-Intensitäten und sie übernehmen quasi die Rolle einer Sonnenbrille. So können auch am Tag mit langen Belichtungszeiten, verwischte, verschwommene Effekte auf Bildern erzeugt werden. Zum Beispiel bewegtes Wasser in Flüssen oder Wasserfällen. Durch die Langzeitaufnahme erscheint es auf Fotos wie weicher Schaum oder Watte. Das kann manchmal richtig skurril aussehen. Auch ziehende Wolken lassen sich perfekt einfangen. Für einen urbanen Charme gehen Sie doch einmal auf einen belebten Platz und fangen Sie die Dynamik einer Menschenmenge ein. Ein geschäftiges Hin- und Herlaufen der Leute wird sich im Bild durch die dynamischen Schlieren an den Motiven wunderbar nachvollziehen lassen.

Artikel: Madeline Jost / my moments



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